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Moll stirbt aus

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Die richtige Musik bei Trauerfeiern

Von Stefan Seidel zur Festveranstaltung anlässlich des zwanzigjährigen Firmenjubiläums am 10.05.2014

In der nun folgenden kurzen Einführung und Vorstellung zu Trauermusik möchte ich sie von der großartigen und würdigen Wirkung gespielter bzw. gesungener Musik bei Abschiedszeremonien überzeugen und begeistern. Als Bestatter hoffe ich, dass Sie danach für ihre Person und Ihre Familie grundsätzlich prüfen, ob Instrumentalisten und Interpreten zu Ihrem Lebensende aufspielen werden. Auch in einer Bestattungsvorsorge läßt sich dieser Wunsch bereits verankern.

Lassen Sie mich bitte zunächst etwas Grundsätzliches sagen. Bei den ortsüblichen praktizierten Trauerfeierformen mit Musikverwendung haben wir es mit vier Hauptformen zu tun.

  1. Die stille Trauerfeier. Dabei verweilt nur der engste Familienkreis von max. 10 Personen in einem kleinen Abschiedsraum ca. 10 Minuten lang bei Urne. Danach begleiten sie diese zum Grab zur Beisetzung. Während der zehnminütigen Verweildauer sind nur zwei eingespielte Lieder zum Eingang und Auszug erlaubt. Gesprochen wird dabei nicht.
  2. Die Musikfeier. Hierbei können über die Dauer von ca. 30-45 Minuten in der großen Feierhalle des Friedhofs bis zu 5 Musiktitel in Folge eingespielt werden. Der Bestatter kann auf Wunsch zwischendurch eine kurze tröstende Traueransprache halten und eine Schweigeminute moderieren.
  3. Die weltliche Trauerfeier mit Redner und Musik. Den Feierablauf über 30-45 Minuten gestaltet hier der Redner im Wechselspiel mit Musikern bzw. mit Musikeinspielungen zwischen den Redepassagen. In der Regel kommen 3-5 Musikstücke zu Gehör.
  4. Die religiöse Trauerfeier mit Pfarrer und Kirchenmusikern. Dieser 45-minütige Ablauf wird durch eine festgelegte Liturgie bestimmt. Zwischen Friedensgruß, Psalmgebet, Predigt, Geleitwort, Fürbittengebet, Vaterunser und Aussegnungshandlungen spielt der Organist in der Trauerhalle bis zu 5 Lieder. Er begleitet den Pfarrer zusammen mit der Trauergemeinde beim gemeinschaftlichen Singen von Kirchenliedern. Am Grab spielen gegebenenfalls Solisten, Instrumentalgruppen oder es singen kleine Chöre a capella auf.

Was kostet nun diese Musik?

Eine Bestattung kann viele Rollen verkörpern. Für die einen bedeutet sie schnöde das „Unter die Erde bringen“ oder „Lass es uns schnell machen“. Andere verbinden mit ihr einen bestimmten familiären Status. Bei der Mehrzahl steht der liebevolle und individuelle Abschied im Vordergrund. Für jede Intention gibt es die passende Musik. Auch die Stille ist eine gleichberechtigte Art von Musik.

J.S. Bach bezeichnete im Jahre 1730 die Trauermusik zu Beerdigungen in einem Brief an seinen Jugendfreund Georg Erdmann aus Leipzig als eine Haupteinnahme, deren Steigen und Fallen auf sein Einkommen von erheblichem Einfluss gewesen sei. Er hatte bekanntlich eine beachtliche Schar eigener Kinder zu versorgen.

Zitat: ,,Meine itzige station belaufe sich etwa auf 700 Reichstaler, und wenn es etwas mehr als gewöhnlich Leichen gibt, so steigen auch nach der proportion die accidentia: ist aber eine gesunde Luft, so fallen hingegen auch solche, wie denn voriges Jahr (1729) an gewöhnlichen Leichen-Honoraren über 100 Taler Einbuße gehabt.“ (1)

Aha, weil in Leipzig die heutige Stadtluft immer sauberer werden soll, so fürchte ich richtig um die Einkommenslage nicht nur der Trauermusiker, sondern letztendlich des gesamten Bestattungsgewerbes! Da wünsche ich mir glattweg das Auf-Lunge-Rauchen der Bitterfelder Chemiewolken wie zu DDR-Zeiten zurück!

Heute liegen die Honorare je nach Umfang der eingesetzten Vokal- und Instrumentalsolisten zwischen 40 und 150 €. Selbstspielen kostet nichts. Vergegenwärtigen Sie sich bitte folgenden Aufwand: die Musiker treffen sich vorher, üben zusammen, vereinbaren und organisieren sich für Sie. Gesundheitliche Probleme müssen vor dem Auftritt weitgehend ausgeschlossen werden. Die Musikschaffenden spielen neben den Angehörigen, dem Redner, dem Pfarrer und dem Bestatter eine wichtige Partnerrolle bei der Planung einer Trauerfeier. Sie übernehmen Verantwortung für die Qualität der Durchführung, für den Erinnerungswert und die Nachhaltigkeit der Feier.

Sie sehen: nach dem Tode sind eben nicht alle Messen gesungen.

Ein kirchliches Quartett, das heute a capella auftreten sollte und absagen musste, hatte es bisher deshalb so schwer mit Aufträgen, da sie zu selten gebucht worden sind. Ursprünglich gründete sich das Ensemble als musikalischer Dienstleister für Trauerfeiern.

Zur heutigen Situation muss man sagen, dass die Inanspruchnahme von handgespielter Musik für Trauerfeiern eher die Ausnahme geworden ist. Im ländlichen Raum geht es häufig noch ganz traditionell zu. Da sind bei religiösen Feiern in der Kirche sowohl das Orgelspiel mit Organisten als auch der anschließende Auftritt eines Bläserquintetts zum Empfang der Prozession, am Grabe bzw. während der Beisetzung ebenso üblich wie der anschließende Leichenschmaus in der Dorfgaststätte.

Es ist für mich als Bestatter ein Glücksfall, wenn ich eine Familie antreffe, in der die Musik im beruflichen und familiären Rahmen gepflegt und gespielt wird. Hier nimmt man häufig auch die musikalische Umrahmung in eigene Hände. Gelegentlich findet sich ein Instrumentalist im Familienkreis, der in Ergänzung der Beerdigungszeremonie mit seinem Soloinstrument am Grab aufspielt. Auch eine zittriges Trompeten-, Klarinetten- oder Flötenspiel, besonders wenn es sich bei den Interpreten um betagte Senioren, Laienspieler und Kinder handelt, verleiht der Zeremonie eine ergreifend individuelle Note mit hohem Erinnerungswert.

Als Bestatter vergebe ich mir ganz wichtige Gestaltungselemente, wenn ich nicht im Trauergespräch alle Möglichkeiten und Gegebenheiten zur Einbeziehung von Live-Musik für Abschiedsrituale auslote. Natürlich muss ich als beratender Bestatter von meiner Bildung und Neigung her in der historischen, klassischen und zeitgenössischen Musikwelt bewandert sein. Und ich muss auch damit umgehen können, wenn es gar keine oder andersgeartete musischen Neigungen in der trauernden Familie gibt.

Für Sie als möglichen Trauernden und familiären Trauerbegleiter eröffnen sich mit bestellter oder selbstinstrumentalisierter Musik verschiedene Möglichkeiten der aktiven Trauerarbeit und Trauerhilfe. Sie müssen ebenso wie die Berufsmusiker üben, auswählen, miteinander reden, haben neben der Trauer Lampenfieber, Versagensängste und technische Probleme mit vielleicht schon lange nicht mehr gespielten Instrumenten auszustehen.

Aber was ist dafür Ihr verdienter Lohn?

Der Verstorbene hat Sie

von Ihrer Trauer abgelenkt,

Sie aktiviert und motiviert,

Sie haben ihm liebevolle Zeit und Zuwendung geschenkt,

Sie erwiesen ihm größtmögliche Dankbarkeit und vollen Respekt,

Sie haben sein Leben nach musikalischen Berührungspunkten erforscht,

Sein Vermächtnis erfüllt,

Sie sind über sich selbst hinausgewachsen und

Sie haben alle zusammen ein unverwechselbares, individuelles und bleibendes Erlebnis geschaffen.

Der Verstorbene wäre glücklich darüber!

Herr Frank Lehmann, gelernter Klavierstimmer, Kirchenmusiker und Chorleiter aus Leipzig-Markranstädt, verführte anschließend das Publikum mit exemplarisch vorgeführten Beispielen von handgespielten und gesungenen Liedern für Trauerfeiern. Er stellte Weisen von Barock bis Anfang des 20. Jahrhunderts vor. Es erklangen die Instrumente Trompete, Violine, Piano und Harfen in Begleitung, Duetten und Soli. Eine Sopranistin entfaltete mit ihrer kraftvollen Stimme ein emotionales Klangfeuerwerk. Dabei verwies Herr Lehmann auf den Notstand in der aktuellen musischen Ausbildung in unserer Gesellschaft und prophezeite den vollständigen Wandel von Moll zu Dur im gesellschaftlichen Musikverständnis.

(1)    httpss://www.google.de/search, www.zeno.org/Musik/M/Spitta,+Philipp/Johann…Bach/…/3.

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