Die Musik beruhigt. Entspannende Klänge liegen über der leicht sprudelnden Wasseroberfläche. Der Pool ist in wechselnde Farben getaucht. Der Organist muss wohl leicht eingedöst sein, als er diese Musik komponierte.
Ungeachtet dieser friedlichen Atmosphäre schwimmt das Tote im Bassin. Ich bin schon drauf und dran den Freundlichen von der ortsansässigen Kriminalpolizei zu rufen. Habe es mir dann doch anders überlegt, will mich nicht blamieren.
Es sind die oft kleinen aber ständig neuen Nichtigkeiten, die einen Bestatter am „Tatort“ entscheiden lassen ob Ja oder Nein. Jede Situation ist anders, nichts wiederholt sich, Routine Fehlanzeige.
Ich lege meine Kleidung ab und begebe mich vorsichtig ins glasklare Wasser. Stufe für Stufe. Mit jedem Schritt umschließt das Tote mich mehr. Trotzdem bleibt der Grusel aus. Im Gegenteil, es fühlt sich angenehm an. Bei 36 Grad Wassertemperatur auch kein Wunder.
Es muss auch gute Seiten an diesem Job geben.
Die Bademeisterin hatte mit dem freundlichen Hinweis die Tür hinter mir geschlossen, sie werde nach 20 Minuten nach mir sehen. Für den Fall, es gibt Probleme.
Gibt es aber nicht.
Tote haben die Eigenschaft, sich nicht mehr zu wehren. Sie sind willenlos, zumindest was die offensichtlichen Körperreaktionen betrifft. Von Lebendigen kann man das nicht unbedingt behaupten, jedenfalls von den meisten nicht.
Dabei ist es ein Irrglaube, Bestatter hätten immer mit Toten zu tun. Mitnichten.
90 Prozent unserer Zeit beschäftigen uns die, die alles noch vor sich haben. Genau aus diesem Grund haben wir ja auch nur 10 Prozent Ruhephasen. Schon seltsam.
Die 20 Minuten müssen gleich vorüber sein und ich erwarte die Angestellte.
Mit dem Toten habe ich mich arrangiert. Es wird weiterhin im Pool treiben. Nach mir die Sintflut und der nächste Badegast. Auch er möchte im aqua motion, im 36 Grad warmen Pool mit einem 10 prozentigen Salzgehalt für eine gute Viertel Stunde die Sinne treiben lassen.
10 Prozent Salz – das Tote Meer im Wellnessbereich.
Das Tote im Pool.
©casus. 2014
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